Mittwoch, 7. Juni 2017

Virginia Woolf

"„Orlando“ könnte wunderbares Kino sein. Eine Parodie auf das Kostümfilmgenre, ein politisches Pamphlet gegen den Royalismus, eine Satire auf Künstlerallüren und eine Studie über das Androgyne. Der Geschlechterwandel ließe sich allein an Tilda Swintons Gesicht vollziehen, ganz zu schweigen von den zahlreichen Erörterungen über Kunst und Leben. Sally Potter hat diesen Film leider nicht gedreht. 

„Orlando“, der Film, ist eine opulente Ausstattungsarie geworden, Kunstkino der edlen Sorte, gedreht auf einem Herrensitz bei London, in Rußland und Usbekistan. Sally Potter hat Virginia Woolfs Gedankensprünge geordnet, die Wirrnis sortiert und Mäander begradigt. Die Elemente erscheinen säuberlich getrennt wie am dritten Schöpfungstag, Zwischentitel leisten Orientierungshilfe: „Tod“, „Liebe“, „Poesie“, „Politik“. Menschheitsthemen, bereichert um wohlfeile Wahrheiten über Frieden, Freiheit und Feminismus. Als Diplomat ist Orlando gegen den Krieg, als Frau für die Emanzipation. Dabei ist der Wille zur Überzeichnung durchaus vorhanden, aber der qualitative Umschlag gelingt Sally Potter nur selten: Zu sehr ist sie in ihre kostbaren Details verliebt. 

Der Roman beginnt immerhin damit, daß Orlando auf den vertrockneten Kopf eines Mohren einsäbelt, der vom Dachbalken baumelt. Der Film ist um solche häßlichen Bilder bereinigt. Der große Frost, die wohl berühmteste Romanpassage, zerfällt bei Sally Potter in lauter tiefgefrorene Genrebilder und eisige Stilleben. Aber keine einzige Fratze, kein elender Erfrierungstod. Auf das Stichwort „Sex“ folgt Orlandos Liebesnacht mit Shelmerdine, einem Lackaffen mit dunkler Lockenpracht, dazu ein bißchen nackte Haut bei flackerndem Kaminfeuer. Aus Scheu vor dem Unreinen reduziert sich die Erlesenheit der Bilder auf die pure Oberfläche, funkelnd, aber leer."

Die Zeit

Mich hatte der Film berührt, weil die Geschichte so außergewöhnlich war. Aber fair enough,Zeit, ich muss wohl das Buch lesen!

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